Aufgrund der Änderungen im Aufsichtssystem steht die Versicherungswirtschaft vor zahlreichen neuen Herausforderungen. Mit der Einrichtung einer eigenen Enterprise Risk Management-Abteilung und zahlreichen weiteren Maßnahmen sind wir jedoch bestens auf die Einführung von Solvency II vorbereitet.
Ein neues europäisches Aufsichtssystem
Das Europäische Parlament und die europäischen Finanzminister haben sich 2009 nach langen Verhandlungen auf eine neue Rahmenrichtlinie für die Versicherungsaufsicht in Europa geeinigt. Bei dieser unter dem Namen „Solvency II“ bekannten Richtlinie handelt es sich um ein neues europäisches Aufsichtssystem, welches eine grundlegende Reform des Versicherungsaufsichtsrechts mit sich bringt. Ziel der neuen Regelung ist die Sicherstellung der finanziellen Solidität von Versicherungs- und Rückversicherungsunternehmen, um negativen Ereignissen standhalten zu können. Ein risikobasiertes System, welches vor allem auch qualitative Elemente berücksichtigt, soll das bisher statische System zur Bestimmung der Eigenmittelausstattung ablösen. Dabei sind ein besserer Schutz der Versicherungsnehmer und die Stabilität der Finanzmärkte vorgesehen. Darüber hinaus soll die neue Rahmenrichtlinie auch die Aufsicht von Versicherungsgruppen modernisieren.
Drei-Säulen-Ansatz
Solvency II basiert auf einem Drei-Säulen-Ansatz. Die erste Säule regelt die quantitativen Anforderungen. Dabei wird zwischen zwei Kapitalanforderungen unterschieden: einerseits dem Solvency Capital Requirement (SCR), welches die regulatorische Solvenzkapitalanforderung beschreibt, und andererseits dem Minimum Capital Requirement (MCR), welches die regulatorische Untergrenze des zu haltenden Solvenzkapitals darstellt. Die zweite Säule enthält die qualitativen Anforderungen und betrifft das Governance-System des Unternehmens. Die dritte Säule umfasst Berichterstattungspflichten an Aufsichtsbehörden sowie Offenlegungspflichten.
QIS-Studien
Für die Berechnung der zukünftigen Solvenzkapitalanforderungen wurden insgesamt fünf internationale quantitative Auswirkungsstudien durchgeführt (so genannte QIS-Studien, Quantitative Impact Studies). Ziel dieser Studien ist die Überprüfung der Angemessenheit der vorgeschlagenen Bewertungsmethoden sowie deren Praktikabilität. Aufbauend auf den Ergebnissen wurden schließlich immer wieder Adaptierungen vorgenommen. Darüber hinaus bietet die Teilnahme an den Feldstudien Versicherungsunternehmen die Möglichkeit zur Vorbereitung auf die neue Regelung und intensiven Auseinandersetzung mit Solvency II.
Eine Herausforderung für viele Versicherungsunternehmen
Angesichts dieser geänderten Regelungen, die bis Anfang des Jahres 2013 von den EU-Mitgliedsstaaten umzusetzen sind, stehen die Versicherungsunternehmen vor neuen Herausforderungen. Es ist davon auszugehen, dass die Änderungen bei vielen Unternehmen zu höheren Kapitalanforderungen führen werden.
Die VIG ist bestens vorbereitet
Der Vorstand der Vienna Insurance Group hat während des Geschäftsjahres 2009 ein konzernweites Projekt zur Implementierung von Solvency II auf Einzel- sowie Konzernebene eingerichtet, das zentral von Österreich aus gesteuert wird. Unter den derzeitigen Voraussetzungen und auf Basis der letzten QIS-Ergebnisse ist die VIG auf Gruppen- und auf Einzelebene auf die unter Solvency II erhöhten Eigenmittelanforderungen bestens vorbereitet.
Änderungen im Risikomanagement
Aufgrund der Spaltung in Wiener Städtische und Vienna Insurance Group Holding im Jahr 2010 sind Änderungen im Risikomanagement notwendig. Die bereits in der Wiener Städtischen verfolgten gruppenspezifischen Aspekte des Risikomanagements werden in der Vienna Insurance Group Holding neu eingebettet. Derzeit wird ein neues gruppenweites Risikomanagement aufgebaut. Dazu wurde Anfang 2010 die Abteilung Enterprise Risk Management (ERM) eingerichtet. Diese ist mit dem gruppenweiten Risikomanagement beauftragt und untersteht dem Gesamtvorstand. Als Hauptziele werden die weitere Vereinheitlichung von Risikomanagementstrukturen und -prozessen sowie die erfolgreiche Umsetzung von Solvency II in der Vienna Insurance Group verfolgt. Die gültige Risikopolitik wird konzernweit überarbeitet und ausgerollt. Weiters wird der gruppenweite Kommunikationsprozess hinsichtlich Risikomanagement vorangetrieben.
Partielles Internes Modell
An der Entwicklung und Implementierung eines partiellen Internen Modells wird im Zuge des Solvency II-Projektes sowohl auf Konzern- als auch auf Einzelebene intensiv gearbeitet. Es wird sichergestellt, dass in den Konzerngesellschaften die notwendigen Berechnungsmodelle und Berechnungsprozesse eingerichtet werden, um sowohl auf Einzelunternehmensebene als auch hinsichtlich der Gruppenberechnungen konsistente Werte ermitteln zu können. Im Zuge des Solvency II-Projektes wurde ein Methodenpapier erstellt, welches detailliert und aufbauend auf den technischen Spezifikationen der Finanzmarktaufsicht die gruppenweit anzuwendenden Berechnungs- und Bewertungsmethoden zur Ermittlung des Solvabilitätserfordernisses gemäß der Solvency II-Standardformel beschreibt. Das Solvabilitätserfordernis gemäß der Solvency II-Standardformel wird parallel zu den Ergebnissen aus dem von der Vienna Insurance Group angestrebten partiellen internen Modell zwei Jahre lang ermittelt.
Qualitatives Risikomanagement
Hinsichtlich der künftigen qualitativen Risikomanagement-Anforderungen wird in der Vienna Insurance Group ein einheitliches Solvency II adäquates Governance-System etabliert, das alle notwendigen Funktionen (Risikomanagement, Compliance, Aktuarielle Funktion, Interne Revision) umfasst. Ein konzernweites System zur Risikoinventur wird implementiert. Ziel ist es, ein gruppenweit konsistentes und umfassendes Risikoreporting zu entwickeln, um die Risikosituation der Gruppe noch besser steuern und parallel dazu die Erfordernisse aus ORSA (Own Risk and Solvency Assessment) erfüllen zu können. Interne Kontrollsysteme gewährleisten die Einhaltung der sich aus dem Risikomanagement ergebenden Leitlinien und Vorgaben.
Umsetzung in der VIG
- Gruppenweites Projekt zur Implementierung von Solvency II bereits seit 2009 eingerichtet
- Das Enterprise Risk Management beschäftigt sich intensiv mit den Risikomanagementfragen des Konzerns
- Neues, gruppenweites Risikomanagement im Aufbau
- Derzeitige Arbeitsschwerpunkte im Hinblick auf Solvency II: Entwicklung und Implementierung eines partiellen Internen Modells, Etablierung eines einheitlichen Governance-Systems